Marktforschungs-Wiki
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Begriffliche Grundlagen

Das Konzept der Repräsentativität ist in der empirischen Markt- und Sozialforschung einerseits von entscheidender Bedeutung, führt aber andererseits aufgrund seiner hohen Suggestivwirkung auch zu Fehlerwartungen bei Marktforschern und ihren Kunden.

Nur in den seltensten Fällen ist es möglich, die interessierenden Merkmale aller Einheiten der Grundgesamtheit zu erheben, da finanzielle, technische oder organisatorische Probleme dies verhindern. Beispiele für solche Vollerhebungen sind Volksbefragungen oder die Auswertung der Logfiles einzelner Server. In der Regel wird aber auf eine Teilerhebung zurückgegriffen, die Untersuchung einer Teilmenge der Grundgesamtheit, in der die Merkmale stellvertretend erhoben werden. Kommen bei der Auswahl der Einheiten für diese Teilmenge klare Regeln zur Anwendung, dann handelt es sich um eine Stichprobe. Die Verteilung der Merkmale in der Stichprobe erlaubt wiederum Rückschlüsse auf die „wahre“ Verteilung der Merkmale in der Grundgesamtheit – allerdings nur dann, wenn die Stichprobe möglichst verzerrungsfrei die Verhältnisse in der Grundgesamtheit wiederspiegelt. Trifft dies zu, so spricht man von einer repräsentativen Stichprobe.

Laut der strengen, mathematisch-statistischen Definition ist unter dem Begriff der Repräsentativität zu verstehen, dass die Stichprobe als Auswahl der Grundgesamtheit alle für diese typischen und charakteristischen Merkmale und Merkmalskombinationen getreu deren relativer Häufigkeit in der Grundgesamtheit aufweist, und damit ein exaktes Abbild der Grundgesamtheit darstellt – auch bezüglich solcher Merkmale, die bei Ziehung der Stichprobe unbekannt sind. Die hohe suggestive Wirkung dieser Vorstellung steht in keinem Verhältnis zur Realität der meisten Erhebungen.

Die Repräsentativität einer Untersuchung ist dann ein wichtiges Gütekriterium, wenn die Erreichung des Untersuchungszieles den Rückschluss von den untersuchten Einheiten auf ein größeres Ganzes erforderlich macht, was nicht bei allen Untersuchungen der Fall ist. So lassen sich Unterschiede in der Beurteilung verschiedener Produkte auch anhand einer nicht-repräsentativen Gelegenheitsstichprobe aufdecken, bei der gerade verfügbare Personen willkürlich um Teilnahme gebeten werden. Bei derartigen Stichproben ist zu beachten, dass die erhobenen Daten nicht mit den Methoden der Inferenzstatistik untersucht werden können, da die Anwendung dieser Methoden das Vorliegen einer Zufallsstichprobe voraussetzt.

Mögliche Auswahlverfahren

Repräsentativität und Stichprobengröße

Für alle auf der Basis eines zufallsgesteuerten Auswahlverfahrens zustande gekommenen Stichproben gilt, dass eine Vergrößerung des Stichprobenumfangs die Wahrscheinlichkeit einer größeren Abweichung der erfassten Merkmalsverteilungen von den wahren Werten in der Grundgesamtheit sinken lässt. Die Aussage, eine größere Stichprobe führe zu genaueren Schätzungen der Populationsparameter, lehnt sich an den zentralen Grenzwertsatz, ein Theorem aus der Inferenzstatistik an, und ist in der Marktforschung unumstritten. Kommen bei Online-Befragungen nicht-zufallsgesteuerte Auswahlverfahren zum Einsatz, führt eine hohe Teilnehmerzahl dagegen nicht automatisch zu einer hohen Aussagekraft der Ergebnisse.

Ein perfektes Beispiel für eine Befragung mit hoher Teilnehmerzahl, die dennoch nicht repräsentativ ausfiel, ist das Literary Digest Desaster von 1936.

Quellen

C. Reinboth: Möglichkeiten und Grenzen von Online-Befragungen unter besonderer Berücksichtigung der Daten- und Stichprobenqualität, Diplomarbeit, Hochschule Harz, Wernigerode, 2005.

Hauptmanns, P. & Lander, B. (2003). Zur Problematik von Internet-Stichproben. In A. Theobald, M. Dreyer & T. Starsetzki (Hrsg.), Online-Marktforschung (Seite 27-40). Wiesbaden: Gabler.

Koch, J. (1997). Marktforschung - Begriffe und Methoden. München: R. Oldenbourg Verlag.

Quatember, A. (1996). Das Problem mit dem Begriff der Repräsentativität. Allgemeines Statistisches Archiv 80, 236-241.

Welker, M., Werner, A. & Scholz, J. (2005). Online-Research. Heidelberg: dpunkt.verlag.

Weblinks

http://www.scienceblogs.de/frischer-wind/2008/03/wie-gross-sollte-meine-stichprobe-sein.php

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